relational composition
Ursula Vogel – Cracks are round: One for the Danaides/Score for Vessels and Cracks
Publication/Release, Ceramic Record, Two compositions
Compositions/Recordings/Performances:
Score for vessels and cracks: Ursula Vogel, Aio Frei, Franziska Koch
One for the danaides: Ursula Vogel, Ziska Staubli, Yannik Sandhofer
Mix/Mastering: Nikki Buzzi, Yannik Sandhofer
Recordings: Atelier Eugen-Huberstrasse, March 2025.
Publication:
Texts/Graphic/Fragments: Ursula Vogel
Mentoring: Irene Vögeli, Felipe Ribeiro, Nina Vogel
Texts/Graphic/Fragments: Ursula Vogel
Graphic Advice and Support: Urs Lehni, Aio Frei
Publishing Advice: Ziska Staubli, Marc Jausslin
Dialoges/Voices: Boris Dietschi, Mirna Bamieh
Support: stef, Sarah Parsons, Romy Rüegger, Rozhan Namehshiri, Sia Namehshiri, Familie Vogel, Familie Nemeshiri, Dina Seuss, Andrea und Laurin, Leonia, Anna, Atelier’s, MTR’s!
Documentation: Silvan Hillmann, Aio Frei, Ursula Vogel
Printing: Ropress
Listen on bandcamp
Score for Vessels and Cracks – Ursula Vogel, Aio Frei, Franziska Koch:
The composition «Score for Vessels and cracks» was first performed in autumn 2022 for the «Back to Earth» Festival in Geneva. Aio Frei and Franziska Koch played a selection of ceramic vessels designed and produced by Ursula Vogel. These vessels, amplified by different forms of microphony, are used as instruments and resonating bodies to create a vibrating narrative. Although improvised, the performance consists of compositions and themes. For this new recording, we added objects bearing cracks and fissures.
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«Vor dem zweiten Brennen schlagen wir fein das Gefäss an, um zu hören, ob es noch ganz ist. Wir wissen wie ein Sprung klingt.»
«Deleuze publizierte 1969 in «Logique du sens» ein Kapitel, das später 1984 unter: «Der Knacks. Porzellan und Vulkan» herausgebracht wurde. In «Logique du sens» verwendet Deleuze die Metapher des Porzellans, um eine bestimmte Art des Bruchs oder Risses zu charakterisieren. Er stellt den feinen, kaum sichtbaren Riss im Porzellan dem Ausbruch eines Vulkans gegenüber. Diese Metaphern nutzt er, um verschiedene Arten zu beschreiben, wie ein «Riss» (crack) sich manifestieren kann. Für Deleuze ist der Riss im Porzellan besonders interessant, weil er eine Oberfläche durchzieht, ohne sie sofort zu zerstören. Der Riss bleibt zunächst (fast) unsichtbar, breitet sich aber allmählich aus. Er schreibt sinngemäss: «Der Riss ist weder innen noch aussen, er liegt an der Grenze, unmerklich, unkörperlich. Mit seiner Energie des Oberflächenereignisses folgt er einer anderen Logik als die äussere Energie der körperlichen Handlung und die innere Energie der psychischen Spannung. Der Riss im Porzellan verläuft entlang seiner eigenen Grenzen.» Deleuze sieht in Fitzgeralds Beschreibung seines persönlichen Zusammenbruchs genau diese Art von Riss – etwas, das langsam und fast unmerklich beginnt, sich unter der Oberfläche ausbreitet, bevor es sichtbar wird. Er versteht den «Knacks» nicht als plötzlichen Zusammenbruch, sondern als einen schleichenden Prozess, der bereits lange vor seiner offensichtlichen Manifestation begonnen hat. Deleuze beschreibt, wie dieser Riss oder Knacks eine transformative Kraft entwickeln kann, die sowohl destruktiv als auch produktiv ist. Er sieht darin eine besondere Art des Ereignisses, das weder rein physisch noch rein psychisch ist, sondern an der Grenze zwischen beiden existiert.»
«Erschöpfter Ton. Wenn der Ton zu stark bewegt, geknetet wird, wird er müde. Es wird erzählt, dass früher der Ton für die nächste Generation aufbe-reitet wurde. So erhielt er eine lange Lagerungsphase, was die Plastizitätsbildung durch Mauken erhöhte, aber auch die Produktion der nächsten Generation beeinflusste und vorhersehbar machte. Müder Ton bildet feine Risse, verkürzt sich und bricht. Aus einem homogenen, dehnbaren, plastischen Klumpen wird ein spröder, rissiger, magerer Klumpen. Zu schnell gearbeitet, nicht richtig zentriert, zu dünn, zu dick oder mit zu ungleichmässiger Wandstärke, zu schnell oder einseitig getrocknet, zu schnell gebrannt oder zu schnell abgekühlt, ungeeignete Glasuren – all dies kann zu Rissen und Sprüngen führen. Aber nicht nur zu schnelle und in verschiedene Richtungen wirkende Kräfte führen zu Rissen, sondern auch einfach zu viel Druck und Gewicht.»
«Eine alte Frau besass zwei grosse Schüsseln. Diese hingen an den Enden einer Stange, die sie über ihren Schultern trug. Eine der Schüsseln hatte einen Sprung, während die andere makellos war. Am Ende der langen Wanderung vom Fluss zum Haus der alten Frau enthielt die eine Schüssel stets die volle Portion Wasser, die andere war jedoch immer nur noch halb gefüllt. Die makellose Schüssel war natürlich sehr stolz auf ihre Leistung. Die Schüssel mit dem Sprung schämte sich stets wegen ihres Makels und war betrübt, dass sie nur die Hälfte dessen verrichten konnte, wofür sie gemacht worden war. Nach zwei Jahren, die ihr wie ein endloses Versagen vorkamen, sprach die Schüssel zu der Frau: ‹Ich schäme mich wegen meines Sprunges, aus dem den ganzen Weg zu deinem Haus immer Wasser läuft.› Die Frau lächelte: ‹Ist dir aufgefallen, dass auf deiner Seite des Weges Blumen blühen, aber auf der Seite der anderen Schüssel nicht? Ich habe auf deiner Seite des Pfades Blumensamen gesät, weil ich mir deiner Besonderheit bewusst war. Nun giesst du sie jeden Tag. Zwei Jahre lang konnte ich diese wunderschönen Blumen pflücken und den Tisch damit schmücken. Wenn du nicht genauso wärst, wie du bist, würde diese Schönheit nicht existieren.›»
Ursula Vogel, Cracks are round, Publikation, Zürich, 2025.